Hauptversammlungsreden 2024: Immer noch mehr Gähn als Wow!

Stell dir vor, es ist Hauptversammlung und alle gehen hin. In Präsenz und online. Denn die Menschen wollen unbedingt wissen, was der CEO zu sagen hat. 

Die stürmischen Zeiten bieten jede Menge spannenden Stoff – mit Blockbuster-Potenzial.
Wohin führt die unternehmerische Heldenreise bei all den wirtschaftlichen Hürden und politischen Verwerfungen? Wird das Gute siegen? Erleben wir gar ein Feuerwerk der Inspiration und Motivation? 

Doch Ach und Weh! Die Stimme des CEO gleicht dem sanften Murmeln eines entfernten Baches, monoton und einschläfernd. So auch der phrasengeschwängerte Redeinhalt:
„Im vergangenen Geschäftsjahr haben wir unseren Umsatz um 3,47% gesteigert, Prozesse optimiert, Synergien geschaffen, die Effizienz erhöht und, ach ja, unsere Mitarbeiter sind unser größtes Kapital…“ 

Schon werden die ersten Augenlider schwer, oder die Gedanken schweifen ab zu den später geplanten Supermarkt-Einkäufen… 

So war es viele Jahre lang. Und so ist es teils noch heute.

Ein CEO als Rhetorik-Leuchtturm

Zugegeben: Es hat sich etwas getan. 

Nur noch wenige CEOs lesen in der Hauptversammlung holprig und mantraartig nicht enden wollende Zahlenkolonnen vom eng bedruckten Blatt ab. 

Nur noch wenige trauen sich, ihr Publikum mit schlecht gemachten PowerPoint-Präsentationen zu quälen – gefüllt mit technokratischen Schachtelsätzen und mysteriösen Diagrammen. 

Professionelle Videos und Animationen oder auch interaktive Elemente gehören schon fast zum Standard.

Und immer mehr Unternehmenslenker wagen sich aus der Zahlen-Wüste heraus, hinein ins bunte und leicht verruchte Abenteuerland des Storytellings. 

Einer macht dies seit Jahren vor: Telekom-Chef Tim Höttges. Ein souveräner Redner, der die Bühne liebt und auch komplexe Zusammenhänge klar, anschaulich und mitunter sogar witzig auf den Punkt bringt. Höttges gilt als so stark, dass er beim Rhetorik-Ranking des Verbands der Redenschreiber deutscher Sprache (VRdS) mittlerweile außer Konkurrenz läuft. 

Und die anderen Bosse? Orientieren sich zunehmend an dem Telekom-Leuchtturm. Allerdings mit recht überschaubarem Erfolg. Meines Erachtens sind viele Hauptversammlungsreden noch immer ziemlich dröge, formalistisch und überfrachtet mit Zahlen, Daten und Fakten. Mehr Schlaftablette als Blockbuster. 

Und das, obwohl die spannenden Geschichten auf der Straße, in den Werkshallen und Büros liegen – man müsste nur zugreifen.

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